Epileptische Anfälle werden den neurologischen Erkrankungen zugerechnet. Ein Krampfanfall muss noch lange keine Epilepsie sein, dafür kann aber ein einfacher ‚Tick‘ wie Luftschnappen oder Kreislaufen eine sein.

Das Wort „Epilepsie“ entstammt dem Altgriechischen und zu der Zeit gab es auch die ersten detaillierten Aufzeichnungen von Hippokrates. Er nannte die Epilepsie „the great sickness“, brachte sie richtigerweise mit dem Gehirn in Verbindung, machte sich Gedanken über Vererbbarkeiten und entwickelte verschiedene Therapieansätze, u. a. eine Kräutertherapie, hauptsächlich mit  Beifuß (Artemisia vulgaris) und Ambrosia (Ambrosia artemisiifolia). Während die Krankheit als solche damals ernstgenommen wurde, wandelte sie sich im religionslastigen Mittelalter zu einer „Teufelskrankheit“, die mit Dämonenaustreibungen behandelt wurde. In der Renaissancezeit gewann sie schließlich wieder ihren Status als Krankheit zurück und wurde als solche behandelt.

Über Tiere und Epilepsie findet man nur recht wenig Aufzeichnungen, da der Verdacht zuerst auf die Tollwut zu fallen schien. Gaston de Foix schrieb schließlich um 1390 als erster in seinem Buch zur Krankheit und Pflege von Hunden über die Epilepsie bei Hunden und behandelte sie in erster Linie mit Baldrian.

In der nachfolgenden Zeit wurden Katzen, Hunde und andere Tiere für die Hirnforschung ‘missbraucht’, bevor es Versuche an Menschen gab, was sicherlich zu der Entdeckung von Kaliumbromid im Jahr 1861 als erstes pharmazeutisches Mittel zur Behandlung von Epilepsie beitrug. In 1912 wurde dann Phenobarbital entwickelt. Da viele der Versuche an Hunden und Katzen stattfanden, ist das Mittel für die beiden Tierarten demzufolge sehr gut erforscht und sogar heute noch vielerorts das Mittel der Wahl, auch wenn – man ist den vierpfötigen Kumpels die Erwähnung schuldig – viele Hunde- und Katzenleben daran kleben.

 

Schön, schön, jetzt komm mal zu Potte, Wackelkater. Was passiert denn jetzt da eigentlich?

 

Wenn man versucht Epilepsie zu erklären, dann liest man immer die Phrase „Gewitter im Gehirn“.

Auch wenn wir finden, dass das eigentlich alles und nichts aussagt, ist das doch eine ganz gute Umschreibung, da sie auch den Aspekt der elektrischen Ladung mit einbringt. Allerdings klingt Gewitter so ernst und gibt nicht wieder, was da noch passiert. Nämlich dass eine oder mehrere Zellen aus der Reihe tanzen, andere anstecken und den (Gehirn-)boden zum beben bringen. Eine richtig krasse Polonäse also. Man braucht nur ein paar Zusatzinfos, um das mit dem Gewitter oder der Polonäse wirklich zu verstehen.

 

Er dachte unter anderem daran, dass es in seinem epileptischen Zustand fast unmittelbar vor dem Anfall (falls der Anfall im Wachen eintrat) eine Phase gegeben hatte, wo auf einmal mitten in der Traurigkeit, seelischen Finsternis und Niedergeschlagenheit sein Gehirn für Augenblicke gleichsam aufgeflammt war und all seine Lebenskräfte sich plötzlich mit außergewöhnlicher Energie gespannt hatten. Die Empfindung des Lebens und das Bewusstsein der eigenen Persönlichkeit verzehnfachten sich in diesen Augenblicken, die nur die Dauer eines Blitzes hatten. Verstand und Herz waren von einem ungewöhnlichen Licht durchleuchtet, all seine Aufregungen, all seine Zweifel, all seine Beunruhigungen mit einem Schlage besänftigt, in eine höhere Ruhe voll klarer, harmonischer Freude und Hoffnung, voll Verstand und Einsicht in die letzten Gründe der Dinge aufgelöst. Aber diese Momente, diese Lichtblitze waren nur Vorläufer jener letzten, entscheidenden Sekunde (es war nie mehr als eine Sekunde), mit der der Anfall selbst begann. Diese Sekunde freilich war unerträglich.

(Fjodr Michailowitsch Dostojewski, bedeutender russischer Schriftsteller – und Epileptiker)

 

Nervenzelle so: ‚Hier fliegen gleich die Löcher aus dem Käse, denn nun geht sie los unsere Polonäse‘

 

Der Schauplatz eines Anfalls ist das Großhirn.

Wenn alles normal läuft, dann findet unter den Milliarden von Nervenzellen (Neuronen) und Nervenzellfortsätzen (Axonen) ständig ein geordneter Informationsaustausch statt. Die Informationen werden empfangen, verarbeitet und weitergeleitet. Das findet über das sog. Aktionspotential statt, eine kurzzeitige Umpolung der elektrischen Spannung zwischen Außen- und Innenseite der Nervenzellenoberfläche. Anschließend wird sofort wieder das ursprüngliche Spannungsverhältnis hergestellt – in Bruchteilen von Sekunden. Die Axone verbinden verschiedene Hirnbereiche miteinander und so kann sich eine Information wellenförmig ausbreiten.

In diesem gigantischen Gebilde von Nervenzellverbänden und Vernetzungen kann aber auch mal etwas schief gehen, nämlich dann, wenn einige Nervenzellen „Unfug“ betreiben (könnten auch die Linus’schen Zellen heissen *schwör*) und einfach falsche Aktionspotentiale produzieren. Diese können entweder aus sich heraus sinnlos sein oder eine (sinnlose) Reaktion auf eine Information. Wenn sie dann noch in rhythmischer Folge auftreten, besonders stark ausgeprägt sind oder lange anhalten, dann haben wir schon einen Grundstein für die Epilepsie gelegt.

Normalerweise gibt es unter den Neuronen aber Aufpasser, die dafür sorgen, dass kein Unfug entstehen kann und schon gar nicht an andere Zellen weitergegeben werden kann. Diese gehören zum hemmenden Neuronensystem.

Manchmal gelingt es den hemmenden Neuronen aber nicht, die Aktivität auszubremsen und die Blödel-Zelle stiftet andere Zellen zum Unfug an. Die Polonäse beginnt. Sind jetzt nur kleine Bereiche betroffen, dann macht sich das vielleicht nur in einem Zucken oder anderen rhythmischen Bewegungen bemerkbar, schaffen es die Unruhestifter aber, das ganze Großhirn zum Unfug anzutreiben, dann haben wir einen Grand mal. Den großen Anfall, bei dem die Betroffenen zuckend auf dem Boden liegen.

Das hemmende Neuronensystem ist jetzt gefragt und es muss die Aktivität stoppen und wieder für Ruhe sorgen, mitunter findet eine komplette Abschaltung statt. Der Anfall hört auf und nach dem Grundreset wird die normale Aktivität nach und nach wieder aufgenommen. Dabei ist wichtig zu verstehen, dass diese erste(n) Unfugzelle(n), die Wurzel allen Unfugs, für immer ihre unnormale Aktivität behalten werden. Sie sind ab sofort epileptische Neuronen und werden genauso wieder ‚hochgefahren‘, wie die anderen Neuronen. So wie anderswo im Körper die geschädigten Zellen durch Apoptose, den programmierten Zelltod, beseitigt werden können, ist dies bei den Neuronen nicht ohne Weiteres möglich. Dort kann nur eine Hemmung stattfinden.

Der Entschlüsselung dieser Nervenzellen und der dazugehörigen Gene und Mechanismen gebührt daher heute ein großer Teil der Epilepsieforschung.

Therapien setzen in erster Linie daran an, die Unfugzellen in Schach zu halten und/oder das hemmende Neuronensystem zu unterstützen, was auf sehr vielfältige Wege geschehen kann.

Lies bald: Welche Epilepsieformen gibt es?