Wir hatten schon lange vor, diesen Artikel zu schreiben und ihn immer wieder vor uns hergeschoben. Neuste Ereignisse veranlassen uns jedoch, dies schleunigst nachzuholen. Wegen der Eile beschränken wir uns jetzt erst einmal auf „die andere Tollwut“.

Tollwut bei Katzen ist ja eigentlich so ein überflüssiges Thema für deutsche Katzen in deutschen Haushalten. Ich selbst durfte meine Erfahrungen damit sammeln, weil ich aus der Ukraine eingereist bin. Die Ukraine ist einreisetechnisch gesehen ein sog. Drittland und zudem tritt dort noch regelmäßig Tollwut auf, weswegen für Tiere, die ‚in die EU verbracht‘ werden sollen, besondere Bestimmungen gelten.

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Bei mir war das eine Impfung, eine Wartezeit, ein Titertest und wieder eine Wartezeit und dann durfte ich rein nach Deutschland. Ich bin ja auch so gesehen ein Flüchtling. Die anderen munkeln zwar, ich wäre ein Wirtschaftsflüchtling, wenn ich mal wieder die Büffetfräse raushängen lasse und denen alles wegfutter, aber tatsächlich bin ich ja ein Kriegsflüchtling.

Der Grund, warum die Bestimmungen so streng sind, liegt natürlich klar auf der Pfote: Deutschland hat sich sehr bemüht durch strenge Impfköderpraktiken das Land offiziell seit 2008 tollwutfrei zu bekommen und das soll natürlich auch so bleiben.

Leider gibt es immer wieder schlaue Urlauber, die im Ausland eine Katze oder einen Hund retten wollen und dann mit dem Tierarzt tricksen oder das Tier bei der Rückkehr  einfach beim Grenzübertritt verstecken. Warum das völlig fahrlässig ist – sich selbst und vor allen auch den anderen Tieren im Haushalt gegenüber – das lernen wir dann im baldigen Hauptartikel über die Tollwut.

Zunächst kommen wir mal zum Virus selbst.

Das klassische Tollwutvirus gehört zur Familie der Rhabdoviridae und wird über den Speichel übertragen. Dies sind üblicherweise Bisse, seltener Kratzer, können aber auch theoretisch vom infizierten Tier abgeleckte Finger sein, mit denen man sich – oder einem anderen Tier – anschließend was aus dem Auge reibt und so das Virus in die Augenschleimhaut einbringt.

Die Tollwut kann schon nach 2 Wochen auftreten, aber auch erst in 24 Wochen, wenn die Wunde weit von den Nervenbahnen entfernt ist und das Virus bei seiner Wanderung an den Nervenbahnen entlang zum zentralen Nervensystem einen besonders langen Weg zurücklegen muss. VIERUNDZWANZIG WOCHEN(!) Das ist fast ein halbes Jahr! Einmal im Gehirn angekommen,  breitet sich das Virus dann weiter im Körper aus, auch in die Speicheldrüsen, wodurch der Kreislauf wieder geschlossen ist.

Jetzt gibt es aber nicht nur das klassische Tollwutvirus, was hier gern auch als „Fuchstollwut“ bezeichnet wird, sondern das Virus gehört zum Genus der Lyssaviren und da tummeln sich noch andere. Beim „International Committee on Taxonomy of Viruses“ (ICTV) gibt es aktuell 12 eingetragene Spezies, welche tollwutähnliche Symptome hervorrufen können und es werden immer wieder neue gefunden und landen dann auf der Warteliste, bis sie ordentlich klassifiziert wurden.

Von diesen 12 interessieren uns hier in Deutschland aber aktuell nur die folgenden 3:

  1. Rabiesvirus (RABV)
  2. European-Bat-Lyssa-virus 1 (EBLV-1)
  3. European-Bat-Lyssa-virus 2 (EBLV-2)

Alles, was nicht das klassische Rabiesvirus (RABV) ist, wird gerne als „Die anderen Tollwutviren“ bezeichnet. Dazu zählen in Deutschland besonders das EBLV-1 und EBLV-2-Virus, welche von Fledermäusen übertragen werden. Die Übertragung findet genauso statt, die Inkubationszeit ist dieselbe und es ist auch GENAUSO TÖDLICH. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die beiden EBLV’s keine Zoonose sind, sondern dass beim nächsten angesteckten Lebewesen dann Schluss ist. Das nennt man „Dead End“. Wird eure Katze also von einer infizierten Fledermaus gebissen, dann wird sie an Tollwut erkranken. Sollte die Katze euch dann beißen, dann würdet ihr aber nicht infiziert werden. Beißt die Fledermaus aber euch direkt, dann Prost Mahlzeit…

Für Menschen ist das ganze Thema jetzt aber etwas entspannter, denn auch bei einem Biss mit der klassischen Tollwut, welche Fledermäuse übrigens genauso in sich tragen könnten, gibt es eine sog. Postexpositionsprophylaxe (PEP). Dabei wird in der Regel das Antiserum (Immunglobuline) in die Nähe der Wunde eingebracht (passive Immunität) und eine Impfung (aktive Immunität) an einer möglichst weit entfernten Stelle gesetzt, damit sich die Wirkung nicht gegenseitig aufhebt. Für uns Katzen gibt es sowas leider nicht. Da hilft nur VOR DEM BISS eine Präexpositionsprophylaxe – die Impfung.

Was waren denn jetzt die „neusten Ereignisse“?

Ach ja, habe mich etwas verquatscht.

Also aktuell (09/2016) besteht in Norddeutschland ein hohes Risiko für uns Plüschkugeln und somit auch für Stöckchenholer oder euch Zweibeiner, sich zu infizieren. Es wurden im August schon 16 Fälle gemeldet. So viel wie sonst im ganzen Jahr nicht. Einsehen kann man dies auf den Seiten des Tierseucheninformationssystems vom Friedrich-Loeffler-Institut und dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit.

Dabei ist vor allem der nördliche Teil Deutschlands betroffen. Und es waren immer Fledermäuse.

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(Foto: www.pixabay.de)

Was heißt das jetzt?

Nun. Augen auf, wachsam sein und bei den wenigen Zweifelsfällen impfen.

Zur Tollwutinfektion gehört mitunter auch eine Wesensveränderung. Es kann also sehr gut sein, dass vormals scheue Tiere plötzlich gar nicht mehr scheu sind oder sogar auf den Menschen (oder die Katze) zugehen. Auf GAR KEINEN FALL sollten die Tiere angefasst werden. Zieht euch zurück und lasst das Tier in Ruhe. Meldet den Vorfall gegebenenfalls.

Falls sich eine Fledermaus in eure Wohnung oder andere Innenbereiche verirrt:

  • Nicht versuchen einzufangen!
  • Bringt die Katzen ruhig und leise in Sicherheit – so eine Fledermaus ist ein unglaublich attraktives Objekt („Flugmaus! Flugmaus! Mama, da ist ne Maus, die kann fliegen!“)
  • Öffnet alle Fenster und wartet, bis die Fledermaus wieder rausgeflogen ist.
  • Sollte die Fledermaus verletzt sein und nicht mehr fliegen können, dann fasst diese nur mit dicken Handschuhen an. Holt euch Rat bei der Fledermaushotline des NABU.

Auf den Fledermaus-Seiten von BUND und NABU findet ihr auch noch viele weitere Informationen.

Fledermäuse sind tolle, geschützte Tiere, deren Ruf wir hier leider schlechter machen, als er ist. Wir wollen auch keine Panik schüren. Die Wahrscheinlichkeit ist immer noch sehr gering, dass etwas passiert. Fakt ist aber, dass bei 16 bestätigten Fällen in so kurzer Zeit was im Busch ist.

Falls ihr also beliebte Fledermausschlafplätze in unmittelbarer Nähe habt, macht es wirklich Sinn, die Freigängerkatzen zu impfen. Auch wenn wir gerne eher mal dazu raten, sich an aktuellen Studien zu orientieren und weniger zu impfen, aber hier ist die Überlegung wirklich angebracht. Die guten Neuigkeiten sind: Die „normale“ Tollwutimpfung wirkt zwar nicht zwangsläufig  gegen alle Lyssaviren, aber gegen EBLV-1 und EBLV-2, da hilft sie(!) Wenn die Tollwutimpfung schon etwas her ist, dann könnt ihr auch zunächst einen Titertest machen. Bei einem Titer von ≥ 5.0 IU/mL besteht ein vollständiger Schutz gegen EBLV-1 und 2. Darunter nur noch ein teilweiser Schutz.

Passt auf euch auf, Kumpels. Nicht dass ihr bald vor Wut schäumt.