Heute wollen wir uns mal mit einem sehr ernsten Thema beschäftigen.

Den Stein ins Rollen gebracht hat eine Meldung über den Tod von Tierärztin Dr. Sophia Yin aus den USA. Wenn man sich ihre Seite anschaut, dann sieht man ein Bild von einem Menschen, der viel im Leben erreicht hat. Lebenslustig, warmherzig, auf jedem Bild ein Lachen. Der Wissensstand ist phänomenal. Der Umgang mit Tieren wirkt sehr respektvoll. Würde man angeboten bekommen mit jemandem das Leben zu tauschen, wäre man leicht geneigt „ja“ zu sagen, wenn es sich um das Leben von Sophia Yin handelt.

Sophia Yin ist eine Frau mit Doktortitel, eine Tierärztin, die natürlich zum großen Teil kommerziell, aber eben auch ehrenamtlich tätig war. Über die Tätigkeit als „Animal Behaviorist“ ist man immer geneigt zu schmunzeln. „Tierpsychologen“ oder „Verhaltenstrainer“ scheinen zu abgehoben für unsere Welt, in der immer noch Kinder an Hunger, im Krieg oder durch impfbare Krankheiten sterben. Wir leben aber nun einmal in einem Teil der Welt, in dessen Kultur auch Tiere eine große Rolle spielen.

Und wenn man sich einmal genau anschaut, wieviele Tiere abgegeben oder getötet werden, weil sie verhaltensauffällig sind, dann wird schnell klar, dass Tierpsychologen auch Leben retten können. Ein Hauptmotivator für Sophia Yin, der sie zusammen mit viel Herzblut zu einer der Besten in diesem Bereich gemacht hat. Unzählige Kumpels hat sie vor dem Einschläfern gerettet – Ein Thema, das in den USA deutlich brisanter ist als hier in Deutschland.

Umso erstaunlicher, wenn man hört, dass Sophia Yin Selbstmord begangen hat. Dass sie an Depressionen litt. „Geben wir Tiere denn nicht genug zurück?“ ist man versucht sich zu fragen.

Ein wichtiger Motor in diesem Prozess ist Mitgefühl.

Der Grundstein für Mitgefühl wird bereits in eurer Kindheit gelegt. Das erste Haustier, um das man sich kümmern muss, die Tiere, dessen Darstellungen bewusst ’süsser‘ gemacht wurden, als sie oftmals in Wirklichkeit sind. Da sieht auch eine Spinne Thekla noch zum Knuddeln aus. Da quiekt man noch nicht das ganze Haus zusammen, das kommt erst später.

Mitgefühl benötigt Vorbilder, Übung und immer wieder eine Auffrischung.

Ein Kind zu lehren, nicht auf eine Raupe zu treten ist ebenso wertvoll für das Kind wie für die Raupe. (Bradley Miller)

Da wird noch jeder Regenwurm gerettet, die Nachbarin wird als Mörderin beschuldigt, weil der Kater mit einem Hasen im Maul nach Hause kommt. Das Leben ist ganz dramatisch während dieser Zeit des Mitgefühls. Irgendwann löst man sich aus dieser Phase, man findet Bambi oder Klopfer nicht mehr süß sondern kitschig, komischerweise ist Hello Kitty aber süß, man wird erwachsen.

Aber das Mitgefühl bleibt, es wird ebenfalls erwachsen, man wählt einen Beruf oder ein Ehrenamt, in dem man helfen kann. Krankenschwester, Altenpfleger, Physiotherapeut im Humanbereich oder man wird einer der unzähligen Helfer im Tierschutzbereich. Ist man im Ehrenamt tätig, hat der Job oftmals gar keinen Namen. Fragt man jemanden, der schon länger dabei ist, würde er gerne mit Galgenhumor „Arsch für alles“ antworten, ist aber zu höflich um es auszusprechen. (Wir entschuldigen uns an dieser Stelle auch für das harte Wort, wussten aber nicht wie wir das sonst prägnant darstellen sollten.) Natürlich gibt es auch die kleinen Helfer im Hintergrund, die kostenlos in der Freizeit den Boden fliesen, unentgeltlich Prospekte falten oder nur mit den Katzen spielen, wie die Mama das gemacht hat. Und alle Tätigkeiten sind wichtig, damit die mächtige Mühle Tierschutz sich weiter drehen kann.

Einige sind aber wichtiger. Die Kämpfer an vorderster Front, die Müllmänner der Gesellschaft. Diejenigen, die sich um abgelegte, weggeworfene, vergessene oder getötete Tiere kümmern. Die sich beschimpfen lassen müssen, wenn sie auch noch ein paar Euro Abgabegebühr verlangen, die sich dann anhören müssen „dann setz ich den eben heute nacht aus.“, die mit Behörden sprechen und etliche Vorschriften einhalten müssen. Die sich Sorgen um eine Katze machen müssen, die seit 2 Tagen im Baum sitzt, der die Feuerwehr aber nicht hilft, weil sie es ganz einfach nicht muss. Nicht müssen muss der ehrenamtliche Helfer auch ganz viel nicht, aber er tut es trotzdem. Er hilft.

Er verbringt wieder eine Nacht mit wenig Schlaf, um kleine Babykatzen aufzupäppeln, die in irgendeinem Garten der Mutter entrissen wurden, weil sie eben stören. Alle 4 Stunden aufstehen und Milch geben. Sich um die zahlreichen Krankheiten kümmern, die Sorgenkätzchen nun mal so im Gepäck haben. Darf den Traumkater aufpäppeln, der irgendwie in eine Häuserspalte gerutscht ist und diesmal von der Feuerwehr gerettet wurde. Darf sich dann Gedanken machen, ob die neuen Interessenten nicht vielleicht die Halter sind und sich nur die Tierarztkosten sparen wollten, deren Summe höher zu erwarten war als die Vermittlungsgebühr. Böse Gedanken kommen dem ehrenamtlichen Helfer. Haben die vielleicht erst im Internet nachgeguckt was man an Vermittlungsgebühr bezahlen muss und dann beschlossen stillzuhalten, als herumgefragt wurde wo der Kater hingehört? Kastriert und gechippt war er natürlich auch nicht.

Er beschliesst misstrauisch zu sein und darf sich dann dafür beschimpfen lassen. Als Ausrede lässt er sich irgendetwas höfliches einfallen. „Ihre Wohnung ist zu klein.“ Vielleicht lauert man ihm auch am Auto auf um ihn zu bedrohen. Oder man weiss wo er hauptberuflich arbeitet und beschwert sich beim Chef über ihn. Einfach so. Einen negativen Eintrag in der Tageszeitung ist es dem Verschmähten allemal wert. „Jetzt wollte ich mich schon erbarmen ein Tier aufzunehmen und die wollten mich nicht.“

WILL DAS TIERHEIM GAR KEINE TIERE VERMITTELN? steht dann in grossen Lettern in der Lokalzeitung.

Einen Raum weiter sind heute 2 der Babykatzen gestorben, nachdem der ehrenamtliche Helfer sie schon 3 Wochen umsorgt hat.

Wie hält man das aus?

Wie kommt man damit klar?

Dass man immer gibt und einem genommen wird aber man viel zu wenig zurückbekommt. Die schönen Fälle sind es, sagen die Tierschützer. Das totgeglaubte Tier, das wieder gesund und voller Lebensfreude ist. Oder das schöne Zuhause, das Max und Moritz gefunden haben. Oftmals sind es die Tiere selbst.

Aber füllt das die Akkus wieder auf?

Werden die nicht einfach immer leerer?

Und die Tierärzte können ganz ähnliche Dinge berichten. Ständig werden sie angegriffen, weil sie irgendetwas nicht können. Dass viele aber auch nachts aufstehen um kostenlos angefahrene Streuner aufzupäppeln, sich mit Tierhaltern wegen Missbrauchs anlegen, sich weigern ein Tier einzuschläfern, das liest man selten.

Mitgefühl ist eine tolle Sache, aber übersteigt das Mitgefühl ständig den Selbstschutz, dann werden die Akkus immer leerer, dann droht am Ende ein „Burn Out“ – leergebrannt – Akku leer.

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Im Amerikanischen gibt es dafür eine eigene Bezeichnung. „Compassion Fatigue Syndrome“ Das bedeutet soviel wie „Mitgefühlserschöpfungssyndrom“.

Und wie erkennt man das jetzt?

Der führende Traumatologe Eric Gentry meint, dass die meisten bereits vorher die erste Phase des Compassion Fatigue Syndroms betreten haben, bevor sie überhaupt (ehrenamtlicher) Helfer werden. Viele identifizieren sich dabei selbst mit der Situation, in der sich die armen Tiere befinden. Vielleicht haben sie bisher gelernt, dass es wichtiger ist, sich um andere zu kümmern anstatt um sich selbst. Eric Gentry sagt, wenn man an dieser Stelle das Gefühl hat, man könnte betroffen sein, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man es auch ist.

Die anderen wissen bereits von Haus aus, wie wichtig es ist, sich auch um sich selbst zu kümmern und die Akkus durch Aktivitäten fernab vom Tierschutz, durch die Familie und durch das Pflegen sozialer Kontakte regelmäßig wieder aufzuladen. Wer ohne diesen Schutz weitermacht, der verkümmert irgendwann. Vielleicht wird er ein Über-Tierschützer, fernab der Realität? Schaut auf jeden hinab, der nicht den hohen Maßstäben gerecht werden kann? Vielleicht sitzt er im dunklen Zuhause und weint?

Der erste Schritt ist laut www.compassionfatigue.org – eine Organisation, die sich ausschliesslich mit diesem Thema beschäftigt – DIE ERKENNTNIS. Zu erkennen, dass man Hilfe benötigt, dass man in einer abwärts gerichteten Spirale sitzt.

Das gute ist: Man muss keine Entscheidung treffen. Man kann sich Hilfe holen bei einem Therapeuten und trotzdem weiter Tiere retten. Nur etwas glücklicher, etwas gesünder.

Wenn ihr die folgenden Veränderungen oder Symptome an euch oder an anderen bemerkt, dann handelt:

• Übermässige Schuldzuweisungen
• Aufgestaute Emotionen
• Isoliert sich von anderen
• Beschwerden über den Betroffenen häufen sich
• Beschwert sich häufig über schlechte organisatorische Strukturen
• Exzessive Verwendung von Substanzen (Alkohol, Drogen) um Gefühle zu verschleiern
• Zeigt Tendenz zu exzessiven Verhaltensweisen wie Glücksspiel
• Ungepflegtes Äusseres, schlechte Körperhygiene
• Hat rechtliche Probleme, ist verschuldet
• Durchlebt immer wieder traumatische Ereignisse in Alpträumen oder Flashbacks
• Cronische körperliche Beschwerden wie Magen-Darm-Erkrankungen oder immer wiederkehrende Erkältungen
• Apathie, Traurigkeit, nimmt nicht mehr an Aktivitäten teil
• Kann sich nur schwer konzentrieren
• Ist ständig körperlich und geistig ermüdet
• Ständig beschäftigt
• Leugnet jegliche Probleme

Unser Appell richtet sich an euch alle da draußen, die ihr im Tierschutz tätig seid. Wenn ihr jemanden kennt, der diese Symptome zeigt, besonders wenn er viele davon zeigt, dann schaut nicht weg. Bietet eure Hilfe an. Organisiert Aktivitäten fern vom Tierschutz. Seid ihr im Vorstand eines Tierschutzes? Dann organisiert Aufklärungsabende, bietet Gespräche an. Zeigt Verständnis.

Ihr erkennt euch selbst? Dann nehmt Hilfe an. Wendet euch  an eure Freunde, eure Familie, wendet euch an einen Therapeuten. Ihr seid nicht allein und wir möchten euch nicht verlieren.

Ihr kennt jemanden, der im Tierschutz tätig ist, könnt aber selbst nicht helfen? Unterstützt mit Kleinigkeiten. Fahrt mal mit zum Tierarzt, helft beim Einkaufen, ladet ihn ins Kino ein oder klopft ihm wenigstens mal auf die Schulter und sagt was für einen tollen Job er macht.

Allen Kritikern sei gesagt: Wie der ehrenamtliche Helfer sein Mitgefühl anwendet bleibt ganz allein ihm selbst überlassen. Wenn dies Tiere sind, weil er vielleicht findet, dass es ohnehin schon zu viele Menschen auf der Welt gibt, dann ist er eben im Tierschutz tätig. Das kann man nicht gut finden. Akzeptieren muss man es aber.

Und allen ehrenamtlichen Helfern da draußen möchten wir mal ein dickes Dankeschön zollen:

Tierschutz-Danke

(Es gibt natürlich noch viele andere Krankheitszustände die auf anderen Ursachen basieren. Ebenso wie es Mobbing im Tierschutz gibt oder eine erste Vorsitzende, die keinen Schutz benötigt, sondern aus Machtgründen viele dieser o.g. Eigenschaften zeigt. Wir beschäftigen uns in diesem Artikel ausschliesslich mit dem ’normalen‘ Erschöpfungssyndrom in einem helfenden Bereich – dem Tierschutz – in dem Glauben an das Gute im Menschen. Mobbing oder Machtmissbrauch sind ganz andere Themen.)